Kyritzer Budenhäuser
Die Idee von “Tiny houses” findet immer mehr Anhänger. Die wörtlich übersetzt „winzigen Häuser“ vereinen auf kleinster Fläche alles, was man zum Leben – und urlauben – braucht. In Kyritz hat man sich das für die Umnutzung der historischen Budenhäuser im Klosterviertel der Stadt zu Nutze gemacht und die kleinen Häuschen aus dem 18. Jahrhundert in originelle Feriendomizile verwandelt. Nach 1990 hatten die Gebäude in der Weberstraße, die ehemals von Tagelöhnern und Handwerkern bewohnt wurden, zunächst jahrelang leer gestanden und waren so marode, dass sie erst einmal notgesichert werden mussten. Rettung für die Kleinsthäuser nahte erst 2016, als mit der aufwendigen Restaurierung der Häuser begonnen wurde. Dabei wurde detailgetreu und nach alten Handwerkstraditionen gearbeitet und mit durchdachten Lösungen für die optimale Nutzung der kleinen Wohnräume gefunden: Alle der sechs zwischen 32-45m² großen Wohnungen haben einen offenen Wohnbereich mit Küche und eine ausgebaute Schlafgalerie im Dach mit Platz für zwei bis vier Personen. Als zusätzlichen „Sommerwohnraum“ gibt es einen Garten mit Liegewiese, der von allen Häusern genutzt werden kann. Der historische Stadtkern von Kyritz und die Innenstadt sind gleich um die Ecke und die 22 Kilometer lange Kyritzer Seenkette und jede Menge unberührter Natur in kürzester Zeit mit dem Fahrrad erreichen. Durch die zentrale Lage der Budenhäuser ist ein Urlaub hier also auch ganz ohne Auto möglich.
Corinna, du hast die Häuser seit Anfang 2023 von der Stadt gepachtet. Wie kam es dazu und was hat dich an den Häusern fasziniert?
Als ich gehört habe, dass der erste Pächter sein Hotel verkauft und auch die Pacht der Kleinsthäuser abgegeben wird, habe ich ihn kontaktiert und ihm gesagt, dass ich Interesse hätte, die Häuser zu pachten. Die Häuser haben dann aber erstmal die neuen Käufer des Hotels mit übernommen. Als die sich ein Jahr später entschieden haben, die Pacht abzugeben, hat der erste Pächter, Herr Heine, mich direkt kontaktiert und mich auf die neue Ausschreibung der Pacht durch die Stadt aufmerksam gemacht. Daraufhin habe ich mich mit einem Konzept bei der Stadt beworben und glücklicherweise auch den Zuschlag erhalten. Ich finde die ganze Geschichte dahinter spannend – dass die Häuser an die alte Stadtmauer gebaut wurden, wer hier gewohnt hat und wie die Gebäude saniert wurden. Außerdem ist es total interessant, was man alles architektonisch umsetzen kann, um auf kleinstem Raum wohnen zu können. Früher wurde die Straße ja als Hexengasse bezeichnet und eine Zeitlang war alles so verfallen, dass sogar schon Bäume aus den Häusern rauswuchsen. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Was weißt du über die Geschichte der Häuser?
Der Bau der Budenhäuser wurde ab 1740 von der Tochter des ehemaligen Bürgermeisters von Kyritz beauftragt. Die damaligen Bretterbuden wurden mit einfachsten Mitteln an die Stadtmauer angehängt und von Tagelöhnern, Handwerkern und ihren Familien bewohnt. Ursprünglich bestanden sie nur aus einem einzigen Erdgeschoss mit einer Fläche von etwa 30 Quadratmetern, in denen bis zu zehn Personen lebten. Bis in die Mitte der 1980er Jahre waren die Häuser noch bewohnt, doch leider verfielen sie nach und nach aufgrund von Leerstand. Aufgrund der Gefahr des Einsturzes gab es immer wieder Überlegungen, die Gebäude abzureißen. Bei zwei Häusern wurde das auch umgesetzt, aber glücklicherweise hat sich die Stadt Kyritz entschieden, die verbleibenden sechs Budenhäuser zu restaurieren. 2019 gab es für die außergewöhnliche Neuinterpretation dieses fast vergessenen historischen Erbes sogar eine Auszeichnung mit dem Brandenburgischen Baukulturpreis!
Wie lief die Restaurierung denn seinerzeit ab?
Für die Bauarbeiten wurde bewusst ein Architekturbüro ausgewählt, das Erfahrung in der denkmalgerechten Sanierung hatte. Die Architekten von Kannenberg & Kannenberg haben sich bemüht, möglichst viel Originalsubstanz zu bewahren und mit traditionellen Handwerkstechniken zu arbeiten. Besonders beeindruckend sind die wiederhergestellten Fassaden, die ganz individuell gestaltet wurden – eine im Fachwerkstil, eine mit teilweise originalen Ziegeln und eine im preußischen Villenstil. In einem der Häuser ist sogar ein Teil der alten Kyritzer Stadtmauer als Innenwand sichtbar.Auf der Innenseite der Häuser sind indirekte Lichtschächte geschaffen worden, um mehr Helligkeit zu ermöglichen, und in einigen Häusern wurden Erker oder Balkone angebaut. Alle Arbeiten wurden unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes durchgeführt. Die Innenräume sind entsprechend der begrenzten Raumgröße angepasst worden. Um den begrenzten Platz optimal zu nutzen, sind Einbauschränke eingebaut worden und das Dach wurde geöffnet, um eine gewisse Großzügigkeit zu schaffen und Raum für Schlafplätze zu bieten, die über platzsparende Treppen erreichbar sind. Außerdem gibt es ein Farbkonzept, das sich in Möbeln und Wänden widerspiegelt. Die Wände sind mit Lehm verputzt, um ein schönes Raumklima zu schaffen, und der Boden wurde mit Gussasphalt ausgekleidet, der extrem langlebig und widerstandsfähig ist. Zusätzlich gibt es eine energieeffiziente Fußboden- und Wandheizung, die nach einem Umluftprinzip funktioniert. Wir achten bei den Häusern auch darauf wenig Müll zu produzieren – wie benutzen waschbare Spüllappen und unser Shampoo, Duschgel, Seife und Spüli kommt aus großen Kanistern zum Nachfüllen. Unser Duschgel und Seife ist außerdem von der nachhaltigen Firma Sodasan. Außerdem wird bei uns der Müll inkl. Biomüll getrennt.
Welches Konzept gab es bei der Gestaltung der Häuser und wie kamen sie zu ihren originellen Namen?
Mir war es wichtig, einen Teil der Häuser von der Einrichtung her etwas umzugestalten, so dass es etwas persönlicher, gemütlicher und wohnlicher wird und etwas in die Richtung der anderen beiden Häuser geht, die ich seit 2019 bzw. 2021 vermiete – die Alte Schule Brandenburg und das Alte Dorfhaus Sechzehneichen. So wurden wieder Vintage-Sachen (z.B. Sessel der Großmutter) mit neueren Möbeln gemischt und Teppiche, Decken, Pflanzen, etc. für die Gemütlichkeit ergänzt. Außerdem gibt es in einem Haus eine Schaukel für das perfekte „Instagram-Foto“. Die Zielgruppe wurde so etwas erweitert, so dass für jeden ein passendes Häuschen dabei sein sollte. Die Häuser haben alle Namen von Charakteren der berühmt berüchtigten Nick Knatterton- Geschichten, der nämlich, der Geschichte nach, aus Kyritz an der Knatter stammt. Nur die Hausnummern fand ich etwas langweilig und da die Charaktere von Nick Knatterton so schöne lustige Namen haben und es einen regionalen Bezug hat, fanden wir das sehr passend.
Was sollte man in der Gegend unbedingt gesehen oder gemacht haben? Verrätst du uns deinen Geheimtipp?
Man sollte ganz unbedingt der INSL einen Besuch abstatten. Die INSL ist ein modernes Wirtshaus mit großzügigem Biergarten und naturbelassenem Inselpark. Alles superniedlich gemacht, mit Lichter- und Wimpelketten. Für ihre leckere regionale Küche haben sie ein Nachhaltigskeitssiegel bekommen. Um zur INSL zu gelangen muss man zum Parkplatz am Untersee fahren (vor dem Strandbad Kyritz), dort an den Steg laufen und dort auf die Bratpfanne hauen. Dann wird man vom Kutter abgeholt. Auf der INSL kann man wunderbar einen entspannten Tag am Wasser verbringen. Naturliebhaber kommen in der Gegend sowieso auf ihre Kosten. Das Umland eignet sich großartig für Fahrradtouren. Wir haben bei uns auch einen eigenen Fahrradraum, in dem die Gäste ihre Fahrräder unterstellen können. Für den See stehen den Gästen 2 Standup-Paddle Boards und ein Picknickkorb zur Verfügung. In der Region gibt es außerdem einen großartigen Sternenhimmel. Mein Tipp daher: Einfach eine Decke aus der Scheune der Kyritzer Budenhäuser schnappen, sich in den Garten legen und Sternschnuppen zählen.
Interview: Katrin Gewecke
Fotos: Corinna Kassner
Kontakt:
Kyritzer Budenhäuser
Corinna Kassner
Weberstr. 99-109
16866 Kyritz
0177 – 250 3561
kyritzerbudenhaeuser@outlook.de
Mehr Informationen unter: https://www.kyritzerbudenhaeuser.de/unsere-haeuser
Zur Gastgeberin
Corinna ist gelernte Veranstaltungskauffrau und hat dann lange in der Medien- und Verlagsbranche gearbeitet. Seit 2019 ist sie in der Ferienhausvermarktung zu Hause und vermietet neben den Budenhäusern auch noch die Alte Schule Brandenburg und das Alte Dorfhaus Sechzehneichen.